Das Start-Up WTS - Wind-Tuning-Systems hat spezielle "Low-Noise-Serrations" entwickelt und sich diese patentieren lassen. Eine Pilot-Installation an einer Enercon E-82 wurde mit der Deutschen Windtechnik durchgeführt und erste Lärmmessungen bereits vom DNV-GL abgeschlossen. Wir haben mit Stefan Brassel, dem Projektverantwortlichen bei der Deutschen Windtechnik, Klaus Röhm, CEO bei Wind-Tuning-Systems und Jens Dreessen, dem Windpark-Betreiber und Geschäftsführer der C&D Ölservice GmbH, über das Projekt gesprochen.
Herr Röhm, wie genau funktionieren "Low-Noise-Serrations"und was bringt die Installation dem Windparkbetreiber für Vorteile?
K. Röhm: Unsere Serrations ersetzen die gradlinige Hinterkante des Rotorblatts durch kleine, spiralförmige Strukturen, die dafür sorgen, dass sich das Strömungsverhalten und der Endkantenwirbel verändern und dadurch kleinere Verwirbelungen, welche den Schall erzeugen, entstehen. Diese Beeinflussung des Hinterkantenschalls ermöglicht derzeit eine Lärmreduzierung von bis zu 3,3 dB(A). Tagsüber bringt die Nachrüstung eine Reduktion der Lautstärke um ca. die Hälfte – und sorgt damit bei Anwohnern für eine höhere Akzeptanz. In der Nacht wird ein Anlagenbetrieb auf höheren Leistungsstufen bei Einhaltung der Lärmgrenzwerte möglich. Der Mehrertrag macht die Installation durchaus attraktiv: Je nach Wind-Standort und Vergütungssituation sind kurze Amortisationszeiten von 1-2 Jahren möglich.
Wodurch hebt sich Ihr Produkt von anderen Produkten ab?
K. Röhm: Unsere Zacken sind spiralförmig, dreidimensional und klein gearbeitet – und erscheinen damit in einem völlig neuen Design. Durch diesen neuen Lösungsansatz erreichen wir gegenüber den Serrations der Windenergieanlagen-Hersteller, die nur für bestimmte neuere WEA angeboten werden, eine um ca. 1/3 höhere Geräuschreduktion und zudem ein bedeutend angenehmeres Geräusch (wenn das Rotorblatt am Turm passiert, ist das „Wummergeräusch“ fast nicht mehr hörbar). Weitere technische Verbesserungen für eine noch höhere Lärmreduktion bei Bestandsanlagen sind in Planung und zum Patent angemeldet. Auch in Puncto Material gehen wir neue Wege: der verwendete Hochleistungskunststoff ist sehr haltbar, und durch die Klebetechnik leicht und schnell zu installieren.
Herr Dreessen, wie kam es bei Ihnen zu der Entscheidung, Serrations einzusetzen?
J. Dreessen: Wir haben bereits 2015 Serrations an einer Enercon WEA in einem Windpark installiert. 2020 haben wir uns auf die Suche nach einer besseren, einfacher zu installierenden Lösung gemacht. So entstand der Kontakt zu Herrn Röhm und das Angebot, die Neuentwicklung von WTS in einem Pilotprojekt zu testen. Der neue Lösungsansatz, die eben beschriebenen Unterschiede zu bisherigen Lösungen, haben mich überzeugt, das Produkt an einer Enercon E-82 im Windpark Büttler-Balje 1 Betriebs KG in Schleswig-Holstein zu testen.
Herr Brassel, was versprechen Sie sich von der Entwicklung?
S. Brassel: Wir suchen für unsere Kunden stets nach neuen Lösungen, um den Betrieb von Windenergieanlagen weiter zu optimieren. Die Serrations von WTS haben dieses Verbesserungspotential. Wir versprechen uns davon, diese Lösung auch anderen Kunden anzubieten. Unser Fokus liegt dabei erstmal auf einer Nachrüstung von Altanlagen und im zweiten Schritt auf der Erstausstattung von Neuanlagen. Auch für Windparks, die weiterbetrieben werden über die Laufzeit von 20 Jahren, ist die Installation sehr interessant – auch mit Blick auf die Ertragssteigerung. Wir haben bereits eine hohe Nachfrage bei unseren Vertragskunden, die ein großes Interesse an der Lösung haben.
Herr Röhm, lässt sich die Technik auf jedem Rotorblatt bzw. Turbinentyp installieren?
K. Röhm: Derzeit läuft für uns als Serrations-Hersteller, unabhängig vom Anlagenhersteller, die Komponentenzertifizierung für den Anlagentyp Enercon E-82 E2. Als nächstes soll das Produkt für den Anlagentyp Enercon E-70 zertifiziert werden. Weitere, häufig betriebene Bestandsanlagen (1,5 - 3,4 MW) von verschiedenen Herstellern sind in der Planung und werden in absehbarer Zeit folgen.
Herr Brassel, wie aufwendig ist die Installation des Upgrades?
S. Brassel: Die Installation kann mithilfe der eigenen Bühnentechnik wetterunabhängig und innerhalb kurzer Zeit am hängenden Blatt erfolgen. Wir rechnen aktuell mit 3 Tagen inkl. Rüstzeit.
Herr Dreessen, ist ein Erfolg bereits messbar?
J. Dreessen: Wir haben die Anlage eine Woche nachdem sie wieder in Betrieb genommen wurde vom DNV-GL vermessen. Im Vergleich zu den Messungen vorher erzielten wir hier im Schnitt eine Geräuschreduzierung von 3,3 dB(A). Das bedeutet eine Halbierung der Lautstärke durch die Installation der Serrations. In der Nacht kann die 2,3 MW Anlage 3 -5 Stufen höher laufen als zuvor. Das bedeutet eine Ertragssteigerung durch eine höhere Leistungsstufe von zuvor 1.000 kW auf jetzt 1.600 - 2.000 kW. Auf das Jahr prognostiziert, rechnen wir mit einer Ertragssteigerung von 400.000 kWh durch die Installation. Das ist gerade zu den aktuellen Strommarktpreisen ein sehr erfreuliches Ergebnis.
Vielen Dank für das Interview!